Der Ort mit der Eisenbahnhubbrücke
Karnin
Karnin ist ein idyllischer kleiner Ort am Übergang der Peene in das Stettiner Haff. Allerdings ist das Dorf nicht wegen seiner 78 Einwohner oder der lauschigen Ferienwohnungen weithin bekannt. Karnin gilt auf Usedom als das Mekka für Eisenbahnfreunde. Denn mitten im Kleinen Haff steht eines der bedeutendsten technischen Denkmäler der Insel: die ehemalige Eisenbahnhubbrücke, über die einst die Züge vom Festland nach Stettin fuhren.
Mit der Eröffnung der Eisenbahnstrecke Ducherow-Swinemünde weihte man 1876 die erste Drehbrücke bei Karnin ein, die zu bestimmten Zeiten den Schiffsverkehr passieren ließ. Die immer größer werdende Auslastung der Zugverbindung erforderte bald jedoch eine reibungslosere Befahrbarkeit. Man entschied sich für den Bau einer Hubbrücke. Noch heute wird sie als ingenieurtechnische Meisterleistung angesehen. Ende 1933 wurde die damals modernste Hubbrücke Europas in Betrieb genommen. Sie ermöglichte Zügen eine Überfahrt mit Tempo 100. Dadurch konnten Fahrgäste in zweieinhalb Stunden von Berlin auf die Insel reisen. 1945 wurde die Gleisverbindung von den Nazis gesprengt. Erhalten blieb lediglich das Hubteil mitten im Peenestrom.
Nach dem Krieg wurde die Verbindung nicht wieder aufgebaut, denn ein Teil der Strecke verlief über den polnischen Teil Usedoms. Allerdings gibt es seit den 1960er Jahren wieder ein Interesse an einer Wiederbelebung der Zugverbindung oder zumindest am Erhalt des Denkmals. Die Pläne wurden allerdings immer wieder verschoben. Nach der Wende sollte die Brücke sogar abgerissen werden. Ein Schiff, das diese Arbeiten vornehmen sollte, war bereits von Stralsund aus auf dem Weg ins Haff. In letzter Sekunde erreichten der Kreisnaturschutzbeauftragte für die Insel Usedom, Claus Schönert, und der Zirchower Pfarrer Otto Simon, dass die Brücke als einzigartige Brutkolonie von Turmfalken erhalten bleiben muss. Um den Brückenbauingenieur Hans Nadler fanden sich schnell Gleichgesinnte, die die Brücke als wertvolles Denkmal erhalten wollten. 1992 gründete sich aus ihnen der Verein „Usedomer Eisenbahnfreunde“.
Der Verein restaurierte ab 1997 das Empfangsgebäude des Bahnhofs Karnin. Inzwischen befürworten die Vereinsmitglieder gar einen Wiederaufbau der alten Bahnstrecke, bei der die Hubbrücke mit einbezogen werden soll. Die Vereinsmitglieder sind recht rege, haben ihr Anliegen wieder und wieder vor das Landes- und Bundesverkehrsministerium gebracht und sogar eine Studie über die Rentabilität der Streckenwiederbelebung in Auftrag gegeben. Mecklenburg-Vorpommern hat die Strecke für den Bundesverkehrswegeplan 2015 angemeldet.
Eine weitere Sehenswürdigkeit in Karnin ist unweit der Hubbrücke der 1936 errichtete ehemalige Lotsenturm, viergeschossig mit Kegeldach und umlaufender Galerie. Er ist der einzige Lotsenturm Vorpommerns. Von hier dirigierten einst erfahrene Lotsen die Boote, die das Haff Richtung Polen oder in die offene Ostsee durchfuhren. Vor ein paar Jahren wurde er an einen Privatinvestor verkauft, der ihn zu einem exklusiven Ferienappartement mit 360-Grad-Rundumblick umbauen ließ. Das Appartement kann gemietet werden. Allerdings müssen Übernachtungsgäste weit in die Zukunft planen. Denn der Lotsenturm ist bereits für die nächsten zwei Jahre ausgebucht.

